1816 - 2023 207 Jahre Alt-Elft, Fere Champenoise I gegründet 1816 nach 1940 Садове (deutsch Sadove)
1816 - 2023 207 Jahre Alt-Elft, Fere Champenoise I gegründet 1816 nach 1940 Садове (deutsch Sadove)

               Eine abenteuerliche Marktfahrt

Dies ist eine Geschichte von Albert Frey, älterer Bruder meines Großvaters Emil Frey. Sie spielte sich ab zu der Zeit, als meine Familie in Mintschuna lebte. Von wo aus diese ,,Abenteuerliche Marktfahrt'' Richtung Tarutino startet.

Viel Spaß auf der Reise!  

 

Meine Familie die aus Alt-Elft stammt, lebte zwischenzeitlich von Mitte der 1890er Jahre in Maraslienfeld, dort ist Albert 1898 geboren, dann nach der Jahrhundertwende um 1900 bis 1912 in Mintschuna, bevor Sie nach Alt-Elft zurückkehrten. 

 

Eine abenteuerliche Marktfahrt

Erlebt und erzählt von Albert Frey

Niedergeschrieben im Jahre 1962

für den Heimatkalender

der Bessarabiendeutschen

Jahrgang 1963

 

Um diese Geschichte zu erzählen, muss ich viele Jahre zurückgreifen. Das genaue Datum kann ich heute nicht mehr nennen. Es muss 1906 oder 1907 gewesen sein. Meine Eltern wohnten damals noch in der kleinen Pachtgemeinde Mintschuna, wo Sie Ihre erfolgreichsten Jahre in der Landwirtschaft hatten. Für uns Kinder waren jene Zeiten das irdische Paradies. Oft wollten wir mit auf den Markt fahren, aber im Winter hieß es, ,,die Wölfe kommen‘‘ und im Frühjahr ,,wenn Ihr Geld auf der Wagendeichsel findet‘‘. Aber einmal war es doch soweit: Mein drei Jahre jüngeres Schwesterchen Maria und ich durften tatsächlich mitfahren auf den großen Markt in Tarutino. Die besten Pferde wurden vor den neuen schwarzen Wagen gespannt und dann ging es zum Dorfe hinaus über den Tscharamer Berg. Ach, welch eine große Überraschung für uns Kinder! Von diesem Berg aus konnte man weithin Ausschau halten. Weit oben im Norden des Tales lag Josefsdorf, kurz davor das Dorf Ruchla. Im Süden konnte man Borodino sehen, und unter uns lag das Dorf Tscharam mit seiner alten orthodoxen Kirche mit ihren schönen Zwiebeltürmen. Kaum waren wir oben auf dem Berg, ging der Weg auch schon in eine Talsenke hinab. Nach einigen Kilometern zog sich an der rechten Seite des Weges eine langgestreckte Lehmbude hin, wahrscheinlich für Hirten. Gewöhnlich sah man dort Jungvieh weiden. Etwa tausend Meter unterhalb dieser Lehmbude stand ein alter unterhöhlter Heuschober. Allmählich wurde die Talsenke breiter, und da, wo sie sich mit dem großen Tal Kogälnik, in dem Leipzig liegt, vereinigte, stand eine große Holzbrücke. Diese war wärend der Schneeschmelze die gefährlichste Stelle auf dem Weg nach Tarutino. Oftmals wurde sie vom Wasser überschwemmt und hat dabei manches Todesopfer gefordert. Jenseits der Brücke ging es rechts den Berg hoch.

Endlich erreichten wir Tarutino. Auf dem großen Marktplatz wimmelte es von Menschen wie in einem Bienhaus. Nur mühsam konnte man vorwärts kommen. Der Pferdemarkt war unübersehbar groß. Am meisten imponierte mir der Gemüsemarkt. Ach was gab es da alles zu sehen: Feigen, faustgroße Apfelsinen, Theken mit langen Zuckerstangen und vielfarbigen Selterwasser, ganze Wagen voller süßer Kringeln. Im Nu waren wir beladen. Ich kam mir vor wie im Märchenland. Zum Mittagessen gingen wir in die Gaststätte der Frau Schlichtenmeyer. Vater bestellte einen guten ,,Borscht‘‘ (Kohlsuppe) und ,,Scharkoi‘‘ (Braten). Doch wir Kinder konnten nicht viel essen, hatten wir doch von all den vielen Sachen das Kröpfchen voll. Ich bestaunte bloß die großen Ölbilder an der Wand. Auf einenm war ein wildes Meer mit mannshohen Wellen dargestellt, die ein Riesenschiff hin- und her warfen. Lange, lange dachte ich darüber nach, ob wohl das große Schiff mit seinen vielen Menschen untergehen müsste. Müde und abgespannt von all den Erlebnissen ging es der Heimat zu.

An der gefährlichen Brücke über den Kogälnik erblickte ich zum ersten Mal Wildenten. Etwas weiter ab erhob sich ein Fischreiher. Dann bog der Weg rechts ab, in das lange schmale Tal hinein. Ich reckte schon immer den Hals, um zu sehen, ob nicht endlich die Lehmbude käme. Auf einmal rief der Vater: ,,Do vorna brengt einer en Wolf!‘‘ und schon trieb er die Pferde an und fuhr nach links, dem Wolf entgegen. Ungefähr tausend Meter hinter dem Wolf kam der Verfolger, ein Moldowaner auf einem Russenpferdchen, das nur noch den Ziegengalopp schaffte. Auch der Wolf schien ermüdet oder gar angeschossen zu sein. Nun ging der Kampf der los. Die Eltern knieten hinter den Vorderschragen. Mein Schwesterchen versuchte sich unter den Wagensitz zu verkriechen. Ich krampfte mich an den Hinterschragen fest. Vater versuchte nun den Wolf mit dem Wagen zu überrollen; wenn jedoch die Pferde bis auf einen Meter hinter dem Wolf waren, scheuten sie und sprangen zur Seite, und der Wolf wich nach links, in Richtung auf das Rohr (Reth) am Flüsschen aus. Mein Schwesterchen schrie aus voller Kehle, Mutter flehte: ,,Simon, mir schmeißet om!‘‘, denn der Wagen schleuderte hin und her. Bei kurzen Wendungen waren oftmals nur noch zwei Räder auf der Erde, und so ging es etwa zwanzig Minuten lang. Wieder einmal gelang es Vater bis auf einen Meter an den Wolf heranzukommen. Das rechte Pferd muss dabei den Wolf auf den Hinterlauf getreten sein, denn dieser stürzte, legte sich auf den Rücken und riss den Rachen nach den Pferden auf. Da sprangen die Pferde hoch und schon schmetterte ein Pferdehuf dem Wolf auf den Schädel, sie rannten über den Wolf hinweg und dabei rollten die beiden Räder des Wagens über das Tier hinweg. Ich schaute zurück und sah, wie sich der Wolf mühte hochzukommen. Er kam hoch, doch schien er betäubt zu sein. Statt Richtung auf das Rohr zu nehmen, ging er nun nach rechts, den alten Heuschober zu. Unterdessen war auch sein Verfolger, der Molowaner herangekommen. Er warf mit seinem Spaten und traf den Wolf am Vorderblatt. Das Tier brach zusammen, raffte sich aber wieder auf, erreichte noch den Heuschober und verkroch sich in den Hohlraum. Unterdessen war Vater mit dem Wagen bis auf drei Meter Abstand an den Wolf herangefahren. Jetzt sah ich, das der Wolf über dem Auge eine Platzwunde hatte. Doch da war auch schon wieder der Moldowaner da, ging seitlich an den Wolf heran, und schon sauste die Schaufel auf den Schädel des Tieres. Bei dem dritten Hieb brach er zusammen. Ich als Nasewis musste genau hinsehen, während mein Schwesterchen sich beide Ohren zuhielt und versuchte, sich unter der Sitzdecke zu verkriechen. ,,Mariechen‘‘, sagte ich, ,,der Wolf ischt schon hee.‘‘ Nun krabbelte Sie hervor, schaute nach dem Ungestüm hin und wurde bei dem Anblick ganz blaß. ,,Simon!‘‘ rief mein Mutter, ,,fahr doch weiter, guck doch die Kinder‘‘. Darauf fuhr mein Vater etwas seitwärts und hielt. Bald kamen viele Leute angefahren und angeritten. Mein Vater kramte indessen in einem großen ,,Lischtkorb‘‘ und zog eine Flasche hervor. Mutter sagte noch: ,,Simon, du werscht doch nett die Schnapsflasch do uff der Stepp uffmache‘‘. ,,Chrischte‘‘ sagte der Vater, ,,en Wolf fanget mer nett alle Tage‘‘. Ein Stoß auf die flache Hand und der Korken flog in die Luft. Mein Vater trank den Männern zu mit den Worten: ,,Nazdorowje‘‘ (Zur Gesundheit) und überreichte danach die Flasche dem Manne, der den Wolf erschlagen hatte. Dieser bekreuzigte sich dreimal, trank und ließ die Flasche umgehen.

Aktuelles

02.12.2021

Neue Story:

Alt-Elft 1940: Aus der Zeit der Umsiedlung

Erlebniserzählung von Peter Kleist 

02.12.2021

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Erlebniserzählung von

Albert Frey unter Alt-Elfter Familien eingefügt

12.09.2015

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28.01.2015

Hof No.13

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Alt-Elfter Familien

Johann Georg Frey

28.02.2012

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